tl;dr: Im sanften, leisen Säuseln (1 Könige 19, 12)
Die Frage, wie man Gott finden kann, bekomme ich öfter gestellt. Oft auch mit dem Zusatz: Ich würde ja gerne glauben, aber für mich ergibt sich da nichts. Ich bin fest davon überzeugt, dass gläubig sein keine Gnade ist, die nur einigen zuteil wird. Glaube ist der Dialog zwischen mir und dem/der/das, was über dem ist, was ich sehen kann. Die katholische Kirche fasst es zusammen als: Glaube des Menschen die Antwort auf die Selbstmitteilung Gottes. Zu Glauben oder nicht zu glauben, hat folglich essenziell damit zu tun, ob ich überhaupt eine Selbstmitteilung Gottes erfahren habe, auf die ich antworten könnte.
Gott drängt sich keinem Menschen auf, sondern hat vielmehr immer wieder gezeigt, dass sie für Menschen auffindbar ist. Die Suche nach Gott im Leben ist eine Suche nach dem Säuseln in meiner Umgebung. Damit keine falschen Hoffnungen aufkommen: Ich glaube, dass Gott finden kein Automatismus ist. Gott ist für den Menschen da, aber nicht wie ein Gegenstand, den man findet und dann für ewig hat. Eher so wie eine Freundschaft zu einer anderen Person. Du wirst Deinen Freund/Deine Freundin auch nie ganz besitzen können und wollen.
Säuseln hören
Die Schwierigkeit, die Selbstmitteilung Gottes, also das, was Gott Dir über sich zu sagen hat, zu hören, liegt darin, dass wir ständig Dinge um uns herum haben, die unsere Aufmerksamkeit einfordern. Viele Dinge in Deiner Umgebung hast Du noch nicht entdeckt und das liegt daran, dass unser Kopf, wenn es um Gedanken und Aufmerksamkeit geht, echt schlecht im Multitasking ist.
Wir können vieles gleichzeitig wahrnehmen, aber nur wenig gleichzeitig wirklich bewusst bearbeiten. Vieles geht von alleine. Unser Kopf liebt den Autopiloten. Ich wette, es gibt auch bei Dir in der Woche eine Reihe von Dingen, die Du Tag für Tag machst. Routinen sind gut, denn sie helfen uns, Kraft zu sparen. Wenn Du aber Lust hast, nochmal Dinge um Dich herum zu entdecken, die Dein Autopilot Dir vorenthält, dann gilt es, diesen ab und an mal auszuschalten.
Eine einfache Methode, die ich auch in meinem kleinen Heft alles außer beten vorgestellt habe, ist es, von 100 runterzuzählen. Lass mich raten: Dir sind direkt 100 Gründe eingefallen, warum es eine ziemlich saudumme Idee, vielleicht sogar Zeitverschwendung ist, das zu tun. Ich habe es Dir ja gesagt: Unser Kopf liebt die Standardeinstellung. Probier es einfach mal aus. Es sind weniger als 2 Minuten Zeit. Von 100 runterzählen trainiert den Fokus Deines Gehirns. Denn auch wenn es sich wie eine simple Übung anhört, so braucht das Zählen eine Menge Ressourcen.
Keine Chance für Autopilot und danach einen kleinen Moment, in dem Du genau hinhören kannst, was Dich entdecken möchte.
Immer wieder.
Eines ist ganz klar: Nur, weil Du einmal von 100 runterzählst, wirst Du nicht Gott finden. Das ist kein Automatismus. Ich selbst kann von mir sagen, dass es mir guttut, gerade nicht zu wissen, was Gott ist. Denn dann kann ich jedes Bild von ihr in meine Collage einsortieren, statt sie in mein Bild zu pressen.
Vielleicht fällt es Dir schwer, Dein Bild von Gott loszulassen, fluide werden zu lassen, weil es Dir Sicherheit gibt. Aber vielleicht kennst Du, wenn Du in Dich reinhorchst, auch das Gefühl, dass so manches Bild und mancher Begriff von Gott eigentlich nur eine äußerliche Phrase für Dich ist und gar nicht wirklich das ausdrückt, was Du fühlst und mit Gott erlebt hast. Schreib doch mal, nachdem Du von 100 runtergezählt und in Deine Ruhe gefunden hast, alle Wörter auf, die Dir zum Thema „Glauben“ einfallen.
Wenn Dir nichts mehr einfällt, stell Dir am Handy eine Stoppuhr auf 30 Minuten. Nimm Dir ein leeres Blatt Papier und schreib einen Text oder Geschichte über Deinen Glauben ohne eines der Wörter, die Du aufgeschrieben hast zu benutzen.
Es ist ganz normal, dass Dein Kopf das erst einmal abblockt. Gib Dir ein paar Sekunden und Du wirst sehen, dass Du ganz neue Worte für das findest, was Dir wichtig ist. Horch in Dich hinein, lausche, was Dir begegnet. Vielleicht ist da ja ein stilles, sanftes Säuseln, in dem Dir Gott nochmal auf ganz neue Weise begegnet.
Tobias Sauer