Was soll das eigentlich mit dem Fasten? Bringt das was? Sollte man mal heilfasten? So viele schwören ja darauf und fühlen sich hinterher wie neu geboren…
Am 14. Februar ist nicht nur Valentinstag, sondern in diesem Jahr auch der Beginn der christlichen Fastenzeit. Am Aschermittwoch startet für Christ:innen die Passionszeit, das heißt die Zeit, in der man sich mit dem Leiden und Sterben Christi befasst und auf Ostern vorbereitet. Sie dauert 40 Tage – die Sonntage zählen nicht mit, weil sie Tage des Fastenbrechens sind. Die 40 Tage erinnern an die 40 Tage, die Jesus in der Wüste verbracht hat. Und die wiederum an die 40 Jahre, die das Volk Israel in der Wüste umherirrte. Es ist eine Zeit der Entbehrung und der Einkehr. Jesus isst in diesen Tagen nichts. Nach biblischer Erzählung begegnet er in der Wüste dem Teufel – man könnte es heute vielleicht im übertragenen Sinne so verstehen, dass er sich den dunklen Ecken in seiner Seele stellt, sich mit seinen Dämonen auseinandersetzt und dem, was da von außen so auf einen einprasselt und von der eigenen Mitte wegzerren möchte.
Die Praxis des Fastens gibt es in fast allen Religionen. Am 10. März beginnt zum Beispiel der Ramadan im Islam. Dass der zeitweise Verzicht auf Nahrung in irgendeiner Form zu mehr Klarheit im Kopf führt, dass es den Blick für das Wesentliche schärfen und zu einer spirituellen oder religiösen Erfahrung werden kann, haben die Menschen schon früh gewusst. Diese Idee steht auch hinter dem Heilfasten, auch wenn man es nicht unbedingt religiös praktizieren muss. Ob das etwas für Dich ist und Deiner Gesundheit zuträglich, darüber solltest Du Dich ausreichend informieren und im Zweifelsfall mit einer Ärztin oder einem Arzt sprechen.
Man muss aber nicht gleich ganz auf Nahrung verzichten. “7 Wochen ohne” kann man auf ganz unterschiedliche Weise gestalten, wenn man die Zeit bewusst zur Einkehr nutzen und den Blick auf das richten möchte, was einem im Alltag allzu schnell entgeht. Wenn man sich selbst zurechtrücken oder sammeln möchte, auf die innere Stimme lauschen oder dahin schauen, wo es wehtut. Wo man lieber wegguckt.
7 Wochen ohne Alkohol, Zigaretten, Fleisch oder Süßigkeiten – das sind die Klassiker der Fastenzeit. Man kann auch Konsum fasten, Verpackungsmüll oder Autofahren. Auch der Verzicht auf Social Media – ein so genannter digital Detox, eine Entgiftung vom Digitalen – erfreut sich großer Beliebtheit. Ideen, auf was Du so verzichten könntest, findest Du im Internet haufenweise.
Ich stelle Dir stattdessen 7 Übungen vor, die Du nutzen kannst, um Dich auf das Wesentliche zu besinnen. Du kannst sie ‘neutral’, ‘irgendwie spirituell’ oder auch christlich verstehen und praktizieren.
Sie stammen aus unserem Fastenbegleiter, den Lisa und Tobias im Herder-Verlag herausgegeben haben und an dem das ganze ruach.jetzt-Team mitgeschrieben hat. Er heißt: 40 Dinge, die Du ausprobieren musst, bevor Du aufhörst zu glauben.
1. Den Tag bewusst beenden.
Manchmal rauschen die Tage nur so an uns vorbei. Da ist man froh, wenn irgendwann Ruhe ist – die Kinder im Bett, die Arbeit geschafft und keine Aufgabe mehr, die noch zu erledigen ist, außer sich aufs Sofa zu schmeißen und die Füße hochzulegen. Richtig abzuschalten fällt aber oft gerade dann schwer, wenn noch Aufgaben unerledigt geblieben sind. Oder wenn man den ganzen Tag so sehr auf Hochtouren lief, dass der Körper gar nicht runterfahren kann. In solchen Phasen bekommt man oft gar nicht mehr so richtig mit, wie es einem selbst eigentlich geht. Da kann es helfen, ein kleines, sehr einfaches Ritual zu haben, um den Tag zu beenden und einmal kurz ins Innere zu horchen. Wie war der Tag eigentlich? Wie fühlt er sich an. Das geht ganz gut mit Wortpaaren – zum Beispiel aus dem Koheletbuch in der Bibel (Koh 3). Im Text heißt es, dass es für alles seine Zeit gibt – pflanzen und ausreißen, lachen und weinen, klagen und tanzen, behalten und wegwerfen… Mit Hilfe dieser Paare kannst Du den Tag reflektieren: War es ein Tag zum Pflanzen oder einer zum Ausreißen? War mein Gang heute federnd oder gebeugt? Habe ich aussortiert oder das, was da ist, gepflegt?
Die Wortpaare mit Impulsfragen findest Du in 40 Dinge… In unserem Store findest Du das Ganze außerdem als Kartenset unter dem Titel *ernten & säen.* Du kannst es auch mit Deiner Partnerperson, Mitbewohner:in oder Freund:in gemeinsam spielen.
2. Dich in der Stadt verirren.
Kennst Du das Gefühl, dass Du angeödet bist von dem Ort, in dem Du wohnst? Dass Dich das Fernweh packt, aber der nächste Urlaub in weiter Ferne liegt oder Du eh grad keine Kohle hast? Du hast jede Ecke gefühlt schon 100 Mal gesehen? Dann lohnt es sich vielleicht, Dich mal absichtlich in Deiner Stadt oder Deinem Ort zu verirren. Das geht ganz einfach: Stell Dir einen Timer, z.B. auf 15 Minuten, und wirf eine Münze: Bei Kopf gehst Du so lange geradeaus, bis du links abbiegen kannst, und bei Zahl gehst Du so lange geradeaus, bis Du rechts abbiegen kannst. Sobald Du abbiegst, wirfst Du die Münze neu. Achte auf das, was Dir begegnet. Was ist Dir vorher noch nie aufgefallen? Welche Straße kanntest Du noch nicht?
Das Ganze ist eine Anlehnung an die so genannten Straßenexerzitien, die der Jesuitenpater Christian Herwartz in den 1990er Jahren entwickelt hat. Straßenexerzitien sind eine Möglichkeit, um mitten in der Stadt Ruhe in sich selbst zu finden. In der Originalversion meditiert man dabei einen Bibelvers.
Du kannst Dich auch mit Hilfe unseres Kartensets *stadtpause* in Deiner Stadt verlieren. Anstatt von einer Münze wirst Du von Karten durch die Stadt geführt. Inmitten der Karten mit den Pfeilen finden sich auch Impulsfragen, die Deine Phantasie anregen sollen, zum Beispiel: “Welches Denkmal würdest Du hier bauen?”.
Mehr Infos findest Du in *40 Dinge….*
3. Von 100 herunterzählen.
Den hektischen Alltag zu unterbrechen, ist manchmal gar nicht so einfach. Da hatte man sich morgens noch vorgenommen, mehr Pausen zu machen, und schwupps steht der Abend schon wieder vor der Tür. Weil eines ins andere überging. Auch das mit der Fastenzeit ist ja schön und gut – 7 Wochen ohne Stress, das wär was. Aber wie soll das gehen? Die Verpflichtungen verschwinden ja nicht einfach. Und dann ist schon wieder Ostern und man nimmt sich das Ganze für’s nächste Jahr vor oder vielleicht klappt es ja im Advent… Wenn es Dir so geht, dann ist “Von 100 runterzählen” vielleicht eine gute Methode für Dich, um Deinen Alltag etwas auszubremsen. Mit dieser simplen Übung kannst Du Deinen Autopiloten austricksen und ein bisschen mehr Fokus finden. Wenn wir fokussiert sind, fühlen wir uns offener für Begegnung und für Neues und auch für das Transzendente. Wir sind kreativer, nehmen unsere Umgebung mit klareren Sinnen wahr. Von 100 herunterzuzählen dauert nicht einmal 2 Minuten. Gerade in vollgestopften Tagen kannst Du Dich mit dieser kleinen Übung immer wieder selbst unterbrechen – und wenn es auf dem Klo ist.
Diese Übung stammt aus dem Heft Alles außer beten von ruach.jetzt. Hier findest Du zahlreiche Fokus-Übungen in Anlehnung an die Praxis der Exerzitien im Alltag. Auch das Heft kannst Du als Fastenbegleiter benutzen, auch wenn es nicht ganz für 40 Tage reicht, sondern bloß für 28. Im ruach.jetzt-Store findest Du außerdem verschiedene Postkarten mit Fokus-Übungen.
4. Tagebuch schreiben.
Gerade wenn Du die Fastenzeit nutzen willst, um das Dunkle in Dir zu betasten, ist Tagebuch schreiben eine gute Methode, um Dich zu sortieren. Aufzuschreiben, was einen bewegt, ist eine bewährte Therapiemethode. Die Dinge bekommen ihren Platz, sie gehen nicht verloren. Sie werden in Worte gegossen und fließen aus einem raus auf das Papier. Ich kann sie nachlesen, wenn ich will, aber auch beiseitelegen, wenn es mir zu viel ist. Ein Tagebuch ist ein Wohnzimmer der Reflexion. Ich nehme mir Zeit, meine Gedanken treiben zu lassen, und zu schauen, was hochkommt. Was mich beschäftigt, aber unter der ganzen Hektik begraben liegt. Du kannst einfach ein Notizheft zur Hand nehmen. Wenn Dir das Schreiben schwerfällt, kannst Du auch auf andere Hilfsmittel zurückgreifen. Wir haben im ruach.jetzt-Verlag z.B. ein Gebetstagebuch von der katholischen Theologiestudentin @kira__beer im Programm. Es heißt Leere Zeilen, weil es dazu da ist, von Dir gefüllt zu werden. Dazu gibt es lauter Impulsfragen, die Dir helfen, ins Schreiben zu kommen. Da geht es um Themen wie Sehnsucht, Zweifel, Stille, Eintauchen, Stauen und Wachsen. Die Fragen sind mit Gebets- und Gedankenfetzen aus Kiras eigenen Tagebüchern ergänzt.
5. Einen Satz atmen.
Meditation hat was mit Atmung zu tun – das hast Du wahrscheinlich schon mal gehört. Dem eigenen Atem zu folgen, ist beruhigend. Aber manchmal gar nicht so einfach. Immer wieder schieben sich Gedanken in den Vordergrund – und das ist ganz normal. Es geht nicht darum, sie wegzudrücken, sondern wahrzunehmen, wann das passiert und zur Atmung zurückzukehren. Es kann aber helfen, dabei gedanklich z.B. immer wieder bis 10 zu zählen oder sich einen Satz vorzusagen wie “Ich bin ganz ruhig.” oder “Meine Arme werden ganz schwer.” Du kannst Dir auch einen positiven Satz in Gedanken zusprechen wie “Ich kann das schaffen.” oder “Ich bin gut, so wie ich bin.” Das nennt man positive Affirmationen – eine Technik der positiven Psychologie.
Auch in der christlichen Tradition (vor allem in der orthodoxen) gibt es das mantraartige Gebet, bei dem Bibelverse wiederholt, meditiert und geatmet werden. Für diese Meditationspraxis findest du bei uns im ruach.jetzt-Store das wunderschön gestaltete Kartenset *bibelatmen*. Die Theologin Alexandra Haustein hat dafür 30 Verse aus der Bibel zusammengestellt, die von der Graphikerin Tiffany J. Maaßen liebevoll illustriert wurden. Dort findest Du Verse wie “Sei getrost… und unverzagt”, “Du bist… mein Schirm” oder “Gedanken… des Friedens”. Vielleicht hast Du auch schon mal vom so genannten Herzensgebet gehört. Wenn Du das nicht kennst, kann ich Dir die Podcastfolge vom Fadegrad-Podcast mit Pfarrer Lars Syring empfehlen. Es ist ganz simpel: Beim Einatmen denkt man die Worte “Jesus Christus…” und beim Ausatmen “…erbarme Dich meiner.” Wenn Dir das zu fromm ist, kannst Du aber auch wie gesagt einen beliebigen anderen Satz nehmen.
Ruach ist übrigens das hebräische Wort für Hauch oder Atem und wird auch als Vokabel für den Geist Gottes verwendet.
Wenn Dir die Übungen gefallen haben, schau doch mal in unser Buch 40 Dinge, die du ausprobieren musst, bevor du aufhörst zu glauben.