Körper und Glauben. Wie passt das zusammen?

Wie hängen Glaube und Körper für dich zusammen?

In letzter Zeit ist mir immer wieder eine Heilungsgeschichte von Jesus in Joh 5,2-9 durch den Kopf gegangen. Ein Mann, der bereits 38 Jahre lang krank ist. Jesus, der unerwartet und anders als erwartbar handelt.  Jesus stellt eine Frage, die auf das abzielt, was tiefer verborgen liegt. Von einem so kranken Mann war zunächst nicht zu erwarten, dass es vor allem Einsamkeit und das Vergleichen mit anderen Kranken sind, die ihn bedrücken, ihn niederdrücken, auch körperlich. 

Ich lese daraus: Jesus weiß, was ich, was wir im Innern brauchen. Und ich frage mich: weiß ich, weißt du, wissen wir, was wir brauchen? Nein, oft ganz und gar nicht. Wie also von Jesus Wissensvorsprung lernen? 

Jesus sieht die ganze Person an, mit einem so klaren und heilsamen Blick wie sonst keiner. Er sieht in unser Herz, er sieht unsere Gedanken und ja, auch unseren Körper sieht er, berührt er, heilt er. Und diese Heilung sieht, so glaube ich mittlerweile, vielleicht ganz anders aus, als ein magischer Zauberakt oder eine reine metaphorische Rede, die heute keinen Platz mehr hat in einer aufgeklärten Welt. 

Jesus sieht den ganzen Menschen, der dort am Teich liegt. Mit der Einsamkeit, dass andere ihn zurücklassen und überholen. Mit den Schmerzen seines kranken Körpers. Mit dem verkümmerten Herzen, das das Hoffen aufgegeben hat. 

Ein Glaube, der den Körper miteinbezieht, ist deshalb auch ein diakonischer Glaube.

Wunder tun, heilsam werden in dieser Welt heißt für mich neuerdings deshalb: nicht bei Puzzleteilen verharren, sondern den Blick auf das große Ganze wagen. Versöhnung mit Gott, Versöhnung mit der Welt, Versöhnung in uns selbst – alles, wofür Jesus gekommen ist, steht für Verbundenheit. Verbindungen schaffen, Trennungen aufheben, ohne die Narben und Grenzen zu übersehen. Jesus erkennt, wie krank der Mann ist. Er geht nicht darüber hinweg. Aber: er bleibt nicht bei dieser Erkenntnis im Geiste, sondern agiert.

Katharina Mutzbauer ist evangelische Theologin, Yoga Lehrerin und auf Instagram als @koerper.poesie präsent. Mit yogahimmelwaerts.de engagiert sie sich für christliches Yoga.

📸 Tiffany J. Maaßen

Ein Glaube, der den Körper miteinbezieht, ist deshalb auch ein diakonischer Glaube. Ein Glaube, der dient, der den Nächsten wie sich selbst sieht und damit beginnt, die eigenen Wunden, Verletzlichkeiten und versteckten Schamgefühle verbinden zu lassen von einem, der liebevoll auf das alles blicken kann. Körperlichkeit und Glaube verbinden. Es wird greifbar gemacht, was sonst oft mit vielen Worten im luftleeren Raum steht. Denn was heißt schon Versöhnung, Verbindung, Heilung, wenn nichts davon je für mich spürbar wird?

Wir sind Menschen mit Bedürfnis nach sinnlichen Erfahrungen, nach Bewegung wie Berührung, aber auch nach Distanz, Stille und Reflexion. Körper und Geist, Flow und Statik, Wort und Handlung, beides muss Form – oder wie es im Yoga heißt asana – im Glauben annehmen. Mit beidem hat uns Gott geschaffen, beides gilt es in einen versöhnenden, christlichen Glauben zu integrieren. Deshalb: „Nimm‘ deine Matte & geh‘!“

Was macht für dich eine körperliche Glaubenserfahrung aus?

Ich habe unseren Kindern eine „Schwanensee“-Klassik-Kinder-CD geschenkt und der Sprecher hat unbewusst für mich auf den Punkt gebracht, was eine körperliche Glaubenserfahrung ausmacht. Er erklärt Ballett nämlich so: „Die Geschichte wird nur mittels Mimik und Körperhaltungen der Tänzer*innen erzählt.“ Körperlich den Glauben zu erfahren, das heißt, deine Geschichte mit Gott anstelle mit Worten, mit Formen zu beschreiben, zu erzählen, zu vertiefen, zu entdecken. Yoga ist für mich mein persönliches Schwanensee-Ballett zusammen mit Gott, weil ich so vieles, was ich spüre, gar nicht in Worte fassen kann und will. In den einfachen, manchmal kraftvollen, manchmal leisen Formen der Yogapraxis findet all das aber Ausdruck.

Ich glaube, auch andere Bewegungsformen können körperliche Glaubenserfahrungen ermöglichen und ich erfahre das immer wieder, wenn ich mit Sportler*innen spreche.

Ich glaube, auch andere Bewegungsformen können körperliche Glaubenserfahrungen ermöglichen und ich erfahre das immer wieder, wenn ich mit Sportler*innen spreche. Aber ich glaube, dass gerade Yoga Glaubensräume öffnet, weil alles von Anfang an bewusst, intuitiv und integriert stattfindet. Gefühle, Atmung, Bewegung, Reflexion kommen in einer einzigen Bewegungspraxis zusammen.

Wie schön ist das? Am Ende ist es vielleicht genau das, was für mich Körper & Glaube verschmelzen lässt: Es ist Ausdruck von Gottes unendlicher Schönheit und Kreativität, die er in diese Welt und seine Wesen gelegt hat. Enjoy! 

Wo siehst du Defizite in der Kirche, wenn es um das Thema Körperlichkeit geht? Was wünschst du dir von Kirche?

Meine Liste von Defiziten in kirchlichen Strukturen könnte ewig lang sein, und ist es auch immer wieder. In der Vergangenheit hat diese innere Liste für mich aber zu nichts Fruchtbarem geführt – und deshalb stattdessen ein Wunsch an dich, der/die du das hier gerade liest: Bitte trenn‘ dich nicht konstant von deinem Körper. Spiel‘ die Grundbedürfnisse deines Körpers nicht zu Nebensächlichkeiten herunter. Er/Sie/Es ist von Gott geschaffen, wunderbar und einzigartig. Gib‘ dir Raum, das zu erfahren.

Bitte trenn‘ dich nicht konstant von deinem Körper.

Dich frei (!) zu bewegen, zu entdecken, was sich gut in deinem Körper anfühlt, was ihm fehlt, was er zu bieten hat, was er dir erzählen möchte. Ich verspreche dir: Gebet wird daraus wachsen, Beziehung zu Gott entstehen, Verbindung zu dem Schöpfer, der deine Füße auf weiten Raum stellt, vertieft werden. Mit dem Körper zu beten, sich durch Bewegung einzustimmen auf Stille vor Gott, ist eine Entdeckung, die ich niemandem vorenthalten möchte. Und wenn du selber diese Erfahrung gemacht hast, dann schenke anderen um dich herum denselben Raum und dieselbe Freiheit, sich unter Gottes wohlwollendem Blick zu entfalten. Sich und anderen gönnen könne, das ist mein ultimativer Wunsch für dich, mich und diese Kirche. 

Katharina plant regelmäßig Yoga Retreats, bietet kostenlose Flows auf YouTube an und regelmäßige Inspiration via Newsletter. Mehr Informationen findest Du auf yogahimmelwaerts.de und auf @koerper.poesie

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