Die Kirchen besitzen einen immensen Pool an Angeboten. Beratungsstellen, Kindergärten, Gemeinden, Krankenhäuser, Schulen, Erwachsenenbildung, Akademien – all diese Institutionen bieten über das Jahr hinweg unterschiedliche Angebote an. War es früher noch möglich, diese allein durch die Präsentation der Angebotsvielfalt zu bewerben, erzeugt diese Kommunikationsstrategie in den letzten Jahren immer weniger Resonanz bei der Zielgruppe.
Durch die veränderten Voraussetzungen in der Bewerbung der Veranstaltungen kann das Anliegen der Angebote – die eigene Kompetenz zugänglich machen – nur noch schwer umgesetzt werden. Um eine Lösungsstrategie zu entwickeln, gilt es die Merkmale digitaler Kommunikation zu beschreiben und die Zugangswege zu Informationen aufzuzeigen.
Merkmale digitaler Kommunikation
In den 90er Jahren war das Reden über das Digitale geprägt von Symbolbildern rund um Cyberspace und Surfen. Der virtuelle Raum wurde als zweiter Ort eingeführt: Eine Welt, in der alles möglich war. Dieser Traum einer zweiten Heimat hat sich nicht bestätigt. Vielmehr zeigt sich, dass die digitale Welt und die physische Welt sich gegenseitig bedingen und voneinander abhängig sind. Virtuelles schafft Realität und Realität gestaltet das Virtuelle. Aus diesem Grund hat eine digitale Kommunikationsstrategie nicht zwangsläufig ein digitales Produkt im Fokus.
Ein maßgebliches Merkmal der Digitalisierung ist die nahezu grenzenlose Verfügbarkeit von Dingen. Reichte 2009 der Speicherplatz des Handys nicht mal für alle SMS, ist es nun möglich nahezu unendlich viele Nachrichten zu speichern, auf alle Lieder dieser Welt zugreifen und Unmengen viele Stunden Serien und Filme zu streamen. Diese Entwicklung wird dadurch verstärkt, dass digitale Güter entgegen physischer Güter unendlich geteilt werden können. Die Verfügbarkeit ist unabhängig von physischer Existenz. Theoretisch könnten alle Streaming-Kunden denselben Song zur selben Zeit hören. In einer Gesellschaft, in der prinzipiell alles leicht verfügbar ist, sind die Dinge, die es nicht sind in der Wahrnehmung entweder sehr seltene Luxusgegenstände oder nicht-real.
Zu keiner Zeit der Menschheit gab es so viele Informationsquellen und Sender wie aktuell. Damit erreicht nicht mehr derjenige die meisten Empfänger*innen, der die Kosten für ein Sendermedium hat, sondern derjenige, der es schafft, aus den Massen an Angeboten herauszustechen und die Aufmerksamkeit der Empfänger*innen zu erlangen. Aufmerksamkeit ist die wichtigste Ressource geworden, um seine Botschaft zu platzieren.
Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass sich Personen immer mehr als Individuum wahrnehmen und autonome Entscheidungen in den Vordergrund stellen. Nicht mehr die Gemeinschaft, sondern die eigenen Leistungen und erarbeiteten Überzeugungen sind ausschlaggebend für das eigene Leben und damit auch für die eigenen Gewohnheiten.
Suchmaschinen und Soziale Medien – zwei Distributoren
Als Zugang zur Datenvielfalt und den Daten des Internets gibt es im Wesentlichen zwei Wege: Das Gefunden werden über Suchmaschinen und eine (am besten virale) Reichweite über soziale Netzwerke. Beide Möglichkeiten haben ihre Stärken und ihre Eigenheiten. Gemeinsam haben beide, dass der Grund der Nutzung vor allem die Lösung eines Problems ist.
Suchmaschinen bieten dem User die Möglichkeit, die unfassbare Informationsflut entsprechend ihrer Eingabe zu filtern. Im Hinblick auf das Platzieren und Bewerben eigener Kompetenzen ist zu wissen, dass User nicht etwas suchen, dass ihnen das Problem löst, sondern die Lösung des Problems. Wenn ich Stricken lernen möchte, suche ich nach Strick-Tutorials – und nicht nach einem Strickkurs. Konkrete Fragen führen zu konkreten Antworten. Dank structured-data können Google und Co. die zur Problemlösung benötigte Information direkt aus der Seite filtern und präsentieren.
Die andere Möglichkeit bieten die sozialen Netzwerken, deren Stärke in der personalisierten Verbreitung von Inhalten liegt. Durch Newsfeeds wird der Inhalt nicht mehr gezielt aufgesucht und konsumiert (PULL), sondern den (scheinbar) interessierten Nutzern zugespielt (PUSH). Der Wechsel von PULL zu PUSH sorgt dafür, dass nicht der Ort der Publikation (z.B. Zeitung) im Vordergrund steht, sondern der konkrete Inhalt (z.B. Artikel). Nicht mehr der Nutzer findet den Inhalt, sondern der Inhalt findet den Nutzer.
Auch in Zeiten, in denen der Inhalt asyncron zum Datum der Publikation wahrgenommen wird, ist es notwendig, eine Bindung zwischen Sender und Rezipient*innen aufzubauen. Der Rezipient muss spüren, dass der von publizierte Inhalt einen Bezug zu seiner Persönlichkeit hat.
Diese Empfindung der persönlichen Nähe zu mir selbst nennt man im Marketing Involvement. Der Rezipient fühlt sich mit der Marke verbunden und vertraut dieser.
Zwei Formen von Inhalt
Skizziert lässt sich festhalten, dass es zwei Formen von Inhalten gibt. Zum einen die Information. Dieser Inhalt kann mit einer konkreten Frage gesucht werden. Bei Angeboten umfasst die Information die Metadaten (Wann, Wo, Wer, Wie viel, etc.). Informationen wollen schnell und unkompliziert von in einer seriösen Quelle gefunden werden. Eine Person, die eine Information sucht hat sich davor bereits mit dem Thema beschäftigt und stellt nur eine geschlossene Frage, um möglichst zielgenau ihr Problem zu lösen. So hat sich eine Person, die „Weinflasche öffnen“ sucht, in der Regel bereits für einen Wein entschieden. Der Nutzerkreis von Informationen verbleibt dementsprechend bei denjenigen, die bereits ein gewisses Vorwissen über den Nutzen der Information haben.
Die zweite Form ist das Thema. Ein Thema gibt Antwort auf eine offen gestellte Frage und bietet damit größeres Potenzial in Hinblick auf neue Nutzer, da es Interesse wecken kann. So kann die Frage „Was sollte ich beim Weinkauf beachten“ der Beginn einer tiefer gehenden Beschäftigung mit dem Themenkomplex Wein sein, die sich aus in der Wahrnehmung von lokalen Angeboten (z. B. Verkostungen) Ausdruck finden kann.
Die eigene Kompetenz dem Nutzer zugänglich zu machen bedeutet, mit qualitativ hochwertigen Inhalten die Themen zu bearbeiten, die den Nutzer interessieren. Auf diese Weise schaffen Themen eine Brücke zwischen den eigenen Kompetenzen und dem Leben der Person.
Tobias Sauer